Einige Überlegungen zum Thema Tonarm

Was ich vorrausschicken möchte: Den perfekten, fehlerlosen Tonarm gibt es nicht, gab es nicht und wird es  auch nicht geben.

Was man jedoch erreichen kann: Möglichst wenig vermeidbare Fehler machen und ein gutes Paket von Kompromissen suchen.

Zuerst einmal zu den grundsätzlichen Anforderungen an einen Tonarm:

  1. Der Tonarm sollte die beim Abtastvorgang entstehende Schwingungsenergie ohne Resonanzen oder Reflektionen ableiten.
  2. Der Tonarm sollte den Tonabnehmer soweit wie möglich wie den Schneidstichel über die Platte führen
  3. Geometrie und Reibungswerte sollten so ausgelegt sein, dass auch durch verwellte oder exzentrische Platten keine großen zusätzlichen Einbußen erzeugt werden.

Sehen wir uns die einzelnen Punkte genauer an:

1.Kontrolle der erzeugten mechanischen Schwingungsenergie:

Beim Abtastvorgang entstehen nicht unerhebliche Schwingungen. Die Tonabnehmer Nadel erfährt Beschleunigungen, wie ein Formel 1 Rennwagen. Wenn man an alte Grammophone denkt: Rein mechanische Abtastung – mit Resonanzkammer und Trichter deutlich hörbar.

Diese Schwingungsproblematik sollte man nicht unterschätzen! Die maximale Auslenkung bei normalen Schallplatten sind ca. 80µm – das bedeutet, auch dass der Bereich bis hinunter zum nm (Nano-Meter ist 1 Milliardstel Meter) noch relevant ist.

Gerade an hochwertigen, hochauflösenden Anlagen ist schon hörbar, wie stark z.B. die Schraube angezogen ist, die das Gegengewicht fixiert.

Prinzipiell ist es so, dass jede Materialstruktur mindestens eine Resonanzfrequenz hat und dass jeder Materialübergang Reflexionen erzeugen kann.

Ein gutes Beispiel für diese Resonanzen war der vor Jahren gebaute Toho-Tonarm. Bei diesem Tonarm konnte man einfach die Tonarmrohre tauschen – es gab Aluminium, Hölzer und Glas. Jedes Rohr verfärbte im Grunde in unterschiedlicher Weise die Wiedergabe. Mit diesem System konnte man sich aussuchen, welche Kombination zur eigenen Anlage und Hörgewohnheiten am besten passt.

Zielsetzung sollte aber sein, möglichst wenig Verfärbungen zu erzeugen. Hierzu ist es nötig alle vorhandenen Komponenten so weit wie möglich zu bedämpfen und einen eindeutigen Pfad (nur einen!) für die Energieableitung zu schaffen.

Ein typisches Beispiel sind kardanisch gelagerte Drehtonarme: Oft sind die Lager für die Vertikalbewegung in einer kreisförmigen Struktur angeordnet. Das hat den Nachteil, dass es von jedem der Lager schon zwei Wege gibt! Eine offene z.B. U-förmige Struktur ist hier vorzuziehen.

Ein Tonarmrohr läßt sich durch den passenden Materialmix relativ gut bedämpfen: Am besten ist, wenn man mit einem Metall anfängt, welches die Schwingungsenergie möglichst gut und schnell leitet, leicht und verwindungssteif ist. Hier ist Titan immer noch die beste Wahl! Die vorhandene Resonanzfrequenz bedämpft man mit zusätzlichem Material – z.B. Carbon, Gel, Schaum…

Sämtliche anderen Teile des Tonarms müssen auch auf ihr Schwingungsverhalten optimiert werden.

Übrigens: „bedämpft“ bedeutet, dass man Resonanzüberhöhungen bei bestimmten Frequenzen, die eine Verfärbung der Wiedergabe verursachen können glättet, nicht aber dass man die Schwingungsenergie in z.B. Wärme umwandelt – das ist reines Wunschdenken! Man denke nur daran, wie weit Schwingungen z.B. noch in Erdreich übertragen werden.

Hierzu eine kleine Anekdote: Als ich mal das Wacken Festival besuchte, wollte ich mir eine Band auf der großen Bühne (die man ja aus dem Fernsehen kennt) besuchen. Der Innenraum war aber voll. So stand ich auf einem kleinen schlammigen Hügel, ca. 400 m von der Bühne entfernt. Es war ein recht feuchtes Wacken und so sank ich mit meinen Füssen immer wieder in den Schlamm ein. Trotzdem spürte ich im Boden die Bass-Impulse!!!

Damit ist die Zielsetzung, die vorhandene Schwingungsenergie abzuleiten – in Richtung Plattenspielerchassis. Das lässt sich konstruktiv mit etwas Aufwand realisieren.

Wo es schwierig wird, sind die Lager! Jedes Kugellager und sei es noch so gut gefertigt benötigt etwas Spiel um sich überhaupt bewegen zu können! Kugellager = relativ viele Einzelteile, also auch verschiedene Pfade für die Energieführung und eben das „bearing clatter“ Dieses „Klappern“ ist im mikroskopischen Bereich leider relevant. In den letzten 10, 20 Jahren sind aber deutlich bessere Kugellager erhältlich geworden. Es gibt einige Tonarme mit Kugellagern, die sehr gute Wiedergabe Ergebnisse liefern. Die optimale Lösung sind sie aber nicht.

Für die Vertikalbewegung werden auch manchmal Spitzenlager eingesetzt: Von der Energieführung her besser aber empfindlich, Verschleißanfällig und eben auch mit minimalem Spiel behaftet

Messerlager haben zwar kein Spiel, sind aber Verschleißanfällig und bieten keinen definierten Punkt der Energieleitung ( mikroskopisch betrachtet wird die Schneide nie überall gleich aufliegen, geschweige denn 10ß0%-tig parallel sein!)

Einpunkt gelagerte Tonarme haben all die obigen Probleme nicht. Dafür besteht die Problematik, dass sie „taumeln können“ Es gibt einige sehr gute Ansätze genau dies zu unterbinden – Magnetlager, zusätzliche Stützlager, seitliche Führung. Zwar muss man auch hier Kompromisse eingehen, aber wenn man es gut macht, kann man ausgezeichnete Ergebnisse erzielen. Ich selbst habe einen Einpunkt-gelagerten Tonarm aufgebaut, dessen Taumelneigung durch ein Luftlagerpad unterbunden wird. Funktioniert einwandfrei, ist aber sehr schwierig einzustellen und mechanisch empfindlich – milde gesagt kein alltagstaugliches Produkt.

Magnetisch gelagerte Tonarme – also das bekannte Prinzip Faden und Magnet können sich auch in gewissem Rahmen in unerwünschte Richtungen bewegen.

Die theoretisch beste Lösung ist ein kardanisch aufgehängter Arm mit Luftlagern mit geringst möglicher Spaltbreite – z.B. 5µm. Keine Reibung, kein Spiel. Ein so dünnes Luftpolster entkoppelt übrigens nicht, sondern koppelt flächig und gleichmäßig an! Diese Lösung verfolge ich gerade und bin beim Aufbau eines ersten Prototypen.

Wenn ich hier so viel über Lager schreibe: Der ganze Rest vom Tonarm muss natürlich auch völlig ortsstabil sein. Alles was schwammig oder nicht richtig fest ist, hat höchst negative Auswirkungen!!!

Noch schlimmer sind natürlich zusätzliche Lager oder Verstell Einrichtungen, die wenn auch minimales aber zusätzliches Spiel haben.

Für die Montage des Tonarms am Plattenspieler sollte man auf ein Verfahren wie Spikes setzen – eindeutiger Punkt der Energieableitung und gleichzeitig „akustische Diode“ – das bedeutet dass Schwingungen vom Plattenspielchassis nicht in größerem Umfang zurück zum Tonarm gelangen können.

Alle Peripherietechnik, wie z.B. Tonarmlift, Tonarmhalterung für Ruheposition, VTA-Verstellung, Skating-Kraft Kompensation müssen auch einzeln optimiert werden. So montiere ich z.B. den Tonarmlift immer in einer weichen Gummimanschette und lasse alles weg, was man nicht unbedingt braucht.

Was man auch nicht unterschätzen sollte sind Speichereffekte, gerade bei den Bauteilen mit größerer Masse, wie dem Gegengewicht. Hier kann es passieren,  dass erst mal Energie gespeichert wird, z.B. nach einem Impuls und dann zeitverzögert wieder abgegeben wird. Hier hilft nur experimentieren mit verschiedenen Ankopplungen.

Soweit mal ein kurzer Abriss der Schwingungsproblematik, die aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt!

  1. Tonarme – Drehtonarm versus Tangentialtonarm

Eigentlich sollte man denken: Beim Schneidvorgang wird der Schneidstichel tangential geführt, also ist auch ein tangential abtastender Tonarm optimal.

Das ist in der Theorie völlig richtig!

Nur die Praktische Umsetzung ist mit einer Vielzahl an Kompromissen behaftet:

Da gibt es die rein mechanisch geführten Tangential-Tonarme deren Urahn der Souther Tonarm war. Hier wird ein kleines „Wägelchen“ mit sehr kurzem Tonarm nur durch die Reibungskraft des Diamanten in der Plattenrille mitgezogen. Schon das kleinste Staubkörnchen auf der Lauffläche oder der Übergang von Haft- zu Gleitreibung führt dazu, dass sich das Wägelchen eher „sprunghaft bewegt“! Ich habe schon Auslenkungen vom Nadelträger des Tonabnehmers von mehr als 1 mm beobachtet, bevor sich das Wägelchen überhaupt bewegte. Da die meisten dieser Tonarme noch aus Komfort-Gründen klappbar sind hat man noch zusätzlich einige undefinierte Energieübergänge. Die sehr kurzen Tonarmrohre führen bei verwellten Platten zu einer besonders großen Änderung des VTA. Mein Fazit: Funktioniert nicht, Finger weg!

Dann gibt es motorisch nachgeführte Tangentialtonarme: Der erste Vertreter dieser Gattung, der mir begegnet ist, war der Goldmund T-3 Tonarm. Im Grunde ein kardanisch gelagerter Tonarm auf einem motorisch betriebenem Schlitten. Parallel zu diesem Tonarm war ein zweiter Hilfstonarm fest mit einer Lichtschranke montiert. Bewegte sich nun der abtastende Tonarm aus der tangentialen Abtastung heraus wurde die Motorsteuerung nachgeregelt bis der abtastende Tonarm wieder tangential abtastete. War etwas schwierig einzustellen… Dieses Prinzip und seine technisch weiter entwickelten Nachfolger hat unter dem Aspekt der Schwingungskontrolle die Problematik sehr vieler benötigter Teile, undefinierte Materialübergänge, Motor und Steuerung in der Nähe des Tonabnehmers, was weitere Störungen einprägen kann. Völlig tangential wird ja auch nicht abgetastet, nur mit deutlich vermindertem Spurfehlwinkel. Nach meiner Einschätzung: Sehr hoher technischer Aufwand nötig – was man durch den verringerten Spurfehlwinkel gewinnt, verliert man durch den mechanischen Aufbau wieder. Auch hier die Nachregelung in kleinen oder kleinsten Sprüngen.

Die nächste Variante ist der luftgelagerte Tangentialtonarm. Seit dem ersten mir bekannten Modell von Denessen ist das Prinzip gleich geblieben: Der Tonarmschlitten läuft auf einem Rohr auf einem Luftpolster. Dieser Aufbau ist mechanisch nicht so kompliziert und kann schwingungstechnisch optimiert werden. Der Arm tastet wirklich tangential ab. Das Tonarmrohr ist lang genug, dass die Konstruktion nicht geklappt werden muss. Von Kuzma and Bergmann gibt es heutzutage sehr gute Tonarme nach diesem Prinzip. Der einzige Nachteil den ich sehe: Es muss die gesamte Konstruktion aus Tonabnehmer, Tonarmrohr, Schlitten und Gegengewicht bewegt werden. Dies erfordert physikalisch betrachtet aufgrund der Massenträgheit mehr Kraft, als das Drehen eines Drehtonarmes.

Eine Sonderform des Tangential Tonarms sind Drehtonarme mit veränderbarer Geometrie. Der bekannteste Vertreter dieser Gattung dürfte der Thales Tonarm aus der Schweiz sein. Hier wird mit beeindruckender Mathematik und Mechanik die Geometrie des Tonarms während dem Abspielvorgang rein mechanisch verändert um einen Spurfehlwinkel nahe 0° zu erzielen. Funktioniert mechanisch einwandfrei, hat für meinen Geschmack aber zu viele bewegte Teile.

Von Reed gibt es mit dem 5p Tonarm ein ähnliches Prinzip, hier wird über optische Abtastung ein zweiteiliger Arm mittels Kleincomputer und Schrittmotor nachgesteuert. Auch hier gilt: zu viele bewegte Teile. Dann noch zusätzlich getaktete Computersteuerung direkt neben den Tonarmkabeln. Hab ich probiert, funktioniert klanglich nicht.

Aber: Ist der exakte Spurfehlwinkel wirklich so wichtig? Ich würde sagen: Jein!

Es gibt sehr viele Anwender die z.B. mit dem Rigid Float sehr zufrieden sind – und der ignoriert in diesem Bereich jegliche Schulmeinung!

Auch Michael Fremer von Stereophile bevorzugt selbst 9-Zoll Tonarme gegenüber 12-Zoll-Tonarmen, die bauartbedingt ja einen kleineren Spurfehlwinkel haben.

Messtechnisch lässt sich nachweisen, dass ein Spurfehlwinkel von mehr als 2° leicht erhöhte Verzerrungen erzeugt.

Fazit: Ein Tangentialtonarm wäre die theoretisch bessere Lösung. Die derzeit vorhandenen Konzepte haben aber alle mehr oder weniger große Prinzip bedingte andere Nachteile.

Deswegen bevorzuge ich auch Drehtonarme.

 

3.Geometrie

Das ist im Grunde recht einfach:

Bei Tangentialtonarmen ein gerades Roh. Der Drehpunkt für die Vertikalbewegung sollte natürlich in Höhe des Abtastdiamanten liegen, sonst führen verwellte Platten zu einer Änderung der Geometrie.

Eine Anmerkung hierzu: Ich kenne durchaus Leute die für „normale“ oder die dickeren 180g Platten den VTA entsprechend einstellen – und der Unterschied ist hörbar, wenn auch nicht übermäßig stark! Verwellte Platten – da reicht schon eine Welle von 1-2 mm um einige Parameter leicht zu verändern.

Bei Drehtonarmen muss man die Geometrie so auslegen, dass eben Verwellungen oder eine exzentrische Platte nicht zu Änderungen der Geometrie führen. Darum z.B. das Tonarmrohr in einem Winkel zur vertikalen Drehachse montieren, der mit dem Kröfungswinkel der Headshell korrespondiert. Ansonsten ändert sich der Azimuth bei verwellten Platten!

Zu Geometrie gehört für mich auch, dass ein Tonarm dynamisch und statisch genau ausbalanciert ist. Das übliche runde Gegengewicht auf dem Tonarmrohr ist da nicht die optimale Lösung.  Besser das Gegengewicht so fertigen, dass der Masseschwerpunkt im Drehpunkt des Armes liegt, was bedeutet unterhalb des Tonarmrohres und seitlich noch ein Gewicht um das Vertikallager gleichmässig zu belasten (bei jeglichen gekröpften Tonarmen nötig)

Von Skating-Kraft Kompensation halte ich nicht sehr viel: Die Skating-Kraft, die beim Abspielen den Tonarm nach außen zieht ist von der Position auf der Platte und der Rillenmodulation abhängig. Wirklich richtig wird man also nie kompensieren! Man kann natürlich ganz leicht kompensieren, beispielsweise für eine Auslenkung von 20µm… Ist aber auch vom jeweiligen Tonabnehmer abhängig.

Was nicht unerwähnt bleiben sollte:

Die Tonarmverkabelung! Üblicherweise hat man ein 4-adriges verdrilltes Kabel. Ich habe so ein Standardkabel einmal gemessen: Übersprechdämpfung zwischen den Kanälen: 80 dB im Baß aber nur noch 20 dB bei 20 kHz, verursacht durch kapazitive Kopplung. Man sollte also die Tonarm Innenverkabelung so weit wie möglich kanalgetrennt ausführen. Da die üblichen MC-Tonabnehmer niederohmig sind, sollte man direkt am Tonarm ein Kabel mit entsprechend niedrigem Innenwiderstand anschließen, also mit ordentlichem Kabelquerschnitt!

So weit zu meinen kurzen grundsätzlichen Betrachtungen.

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