Kann man guten Gewissens noch neue Messgeräte kaufen?

Ich hatte hier einen FSV 3007 Spektrum Analyser von Rohde & Schwarz als Vorführmodell zum Testen. Das Gerät war mit allen Optionen – Hardware und Software ausgestattet. Listenpreis wie das Gerät war bestimmt über € 70.000.-

An der Performance gab es nichts zu bemängeln. Die Sweeps, besonders bei geringer Resolution Bandbreite, z.B. 100 Hz sind viel, viel schneller, als bei älteren Geräten. Das spart Zeit und man entdeckt eher sporadisch auftauchende Signale.

Auch der Noise-Floor liegt sehr niedrig. Dazu noch eine Vielzahl von Mess- und Demodulationsmöglichkeiten.

Bedienung ist durchdacht und größtenteils selbsterklärend. Selbst der Tough-Screen funktioniert so gut, dass man nicht auf eine zusätzliche Maus angewiesen ist.

Soweit hat mir das Gerät sehr gut gefallen.

Was aber für mich VÖLLIG unakzeptabel ist, ist die Verkaufsstrategie von Rohde & Schwarz (nicht, dass die eine Ausnahme wären, machen im Grunde alle großen Hersteller so oder Ähnlich!).

Da wäre zuerst mal die Garantiezeit: Nur ein Jahr! Kauft man ein Vorführgerät, hat dies, wie in meinem Falle gar keine Garantie mehr! Noch vor ein paar Jahren bekam ich von Rohde & Schwarz auf ein Vorführmodell 3 Jahre Garantie! Jetzt müsste man das Vorführmodell kostenpflichtig kalibrieren lassen, um zumindest ein Jahr Garantie zu bekommen. Da stellt sich natürlich die Frage: Hat der Hersteller selbst kein Zutrauen in die Haltbarkeit seiner Geräte? Da werde ich natürlich hellhörig: Vor ein paar Jahren habe ich mal ein neues 6 ½ stelliges Multimeter von Keysight gekauft. Das fiel pünktlich nach Ende der Garantiezeit aus. Mir wurde dann ein Austauschgerät zum halben Neupreis mit 1 Jahr Garantie angeboten…

Es gab ja Zeiten, da bekam man auch noch für ältere Geräte Ersatzteile und Support. Diese sind aber vorbei! Derzeitiger Stand: Support gibt es nur noch 5 Jahre nach Abkündigung. Da die neuen Geräte auf Kurzlebigkeit konzipiert sind, kann man also nur mit einer sehr begrenzten Lebensdauer rechnen!

Mein z.B. 24 Jahre alter Rohde & Schwarz FSEB Spektrumanalyser läuft klaglos und ist im Zweifelsfall noch reparierbar! Inflationsbereinigt etwa in derselben Neupreisregion.

Hier sieht man einen Teil der Software-Optionen. Bei Vorführmodellen zeitlich beschränkt!

Was auch unakzeptabel ist, ist die Bepreisung von Softwareoptionen: Schaut man sich andere Programme mit vergleichbarem Funktionsumfang und Programmieraufwand an – z.B. für Bildbearbeitung oder Audio-Messungen, so kosten diese € 20.- bis € 200. Eine vergleichbare Option für die Messtechnik kostet € 2000.- bis € 4000.-

Noch schlimmer ist es bei Oszilloskopen: Da ist die maximale Bandbreite und Speicher schon hardwaremäßig verbaut, muss aber vom Grundmodell ausgehend freigeschaltet werden! Kann dann z.B. bei der Freischaltung von 300 MHz auf 1,5 GHz € 12000.- kosten.

Solche Verkaufspolitik akzeptiere ich nicht.

Wenn man das mal bösartig durchrechnet: Ein TOP-Messgerät der 90er-Jahre hat DM 100.000.- gekostet, war auf dem derzeitig höchsten Stand der Technik und hielt im Durchschnitt 30 Jahre.

Ein jetzt gefertigtes Messgerät für € 100.000.- ist rein von der Hardware und Langlebigkeit schlechter gefertigt und hält im Schnitt höchstens 10 Jahre. Optionen kosten noch mal extra und geht mal etwas kaputt sind die Chancen es selbst zu reparieren höchst gering. Somit sind die neuen Geräte einfach nicht in einem vernünftigen Preis-Leistungsverhältnis. Das sieht man auch übrigens sehr gut auf dem Gebrauchtmarkt: Neuere gebrauchte Messgeräte sinken rapide im Wiederverkaufspreis!

Ein anderes Beispiel für den derzeit miserablen Service: Diesmal von Keysight: Ein Kunde von mir hat über die Vebeg ein Gerät – auch einen Spektrumanalyser – aus Bundeswehrbeständen ersteigert – nicht gerade billig! Das Gerät kam hier zur Überprüfung an. Ich stellte fest, dass die Festplatte entnommen war. Das ist sogar verständlich. Sind ja alles mittelmäßige Laptops mit Windows Betriebssystem und artspezifischer „Soundkarte“. Da könnten schon sensible Daten gespeichert worden sein. Was braucht man um das Gerät wieder zum Laufen zu bringen? Festplatte, Windows Betriebssystem, Firmware und Optionen freischalten. Der Aufwand wäre überschaubar und wirtschaftlich sinnvoll. Kriegt man aber nicht – Keysight will das Gerät zur Reparatur haben – pauschaler Reparaturpreis ca. € 9000.- Das ist dann (gewollt??!) nicht mehr wirtschaftlich!

Meine Empfehlung an den Kunden: Gerät zerlegen und die einzelnen Baugruppen auf den bekannten online Marktplätzen verkaufen.

Es wird doch so viel über Nachhaltigkeit geredet – na so geht es bestimmt nicht!

Das es übrigens auch anders geht, habe ich erfreulicher Weise mit der Firma Beyerdynamic erfahren:  Vor etwa 10 Jahren habe ich ein Messmikrofon mm-1 gekauft.

https://www.beyerdynamic.de/mm-1.html

Jetzt brauchte ich für ein neues Messprogramm die Datei mit den Kalibrierdaten.

Etwa 1 1/2 Stunden nach meiner Bitte darum hatte ich für 90° und 0° die benötigten Dateien!

Das nenne ich vorbildlichen Service! Es geht also wenn man will!

Das trifft übrigens auch auf viele „kleinere“ Audio-Hersteller zu, wo ich schon öfter positive Überraschungen erlebte!

 

 

Kommentare sind geschlossen.